Photo: Berger of Jealousy Mountain Duo by Edgar Kls Peters Belmonte

Photo: Berger of Jealousy Mountain Duo by Edgar Kls Peters Belmonte

 

Jealousy Mountain Duo live – Ein Review.

 

the jealousy mountain voodoo

 

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo
tanz ihn auf der stelle – in der ferne brennt ein licht
auf auf, mein freund – kein herz, das zweimal bricht

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo
tanz ihn am steuer – am bug schäumt die gischt
halte durch, Jonny – land ist in sicht

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo<
immer auf der stelle – egal was man dir verspricht
die wellen im sturm – mehr brauchst du nicht

 

menschen in den städten suchen sich ihr refugium. etwas, das ihnen gehört. wie eine insel auf dem kontinent. musik steht hoch im kurs, sie kostet nichts. ob du eine band gründest, dich dämlich streamst, oder zu einer guten show rennst – du spürst die energie und fertig.

authentizität ist nichts als ein lebenslauf.

jealousy mountain duo

live at ostpol, dresden-newtown, germany

1
zwei typen
berger + schneider
danelectro +++ riesiger ampeg-svt2-turm +++ riesiger mesa boogie-400(+)-turm +++ loopstation +++ drums
kein mikro

2

die stille nach dem ersten song, fühlt sich an wie ein vakuum. als presse man seine lippen gegen dicke holzbohlen und versuche zu atmen. wildfremde leute testen ihre sinne, indem sie einander ansehen. 85% von ihnen, wirken zu 100% taub. ein typ – stolz auf sich, seinen Vollbart und seine Ohrschützer – stellt wortreich betrachtungen darüber an, wie ein hörsturz im detail abliefe.

alles ist gut – irgendwo tuschelt ein pulk ladies. ich denk’ noch, ‘um dem mitteilungsbedürfnis junger damen den saft abzudrehen, bedarf es einer neutronenbombe im radius unter einem kilometer,’ da bringen diese plötzlich ihre schönen lippen in eine, von verlässlich weiblicher neugier geprägte ruheposition – berger spricht mit blanker stimme.
alle verstehen, was er sagt:
… der erste song hieß, rock the beach. der nächste ist, surfers around the fountain. er freue sich, dass wir gekommen seien …
wie laut die band wirklich ist, wenn sie zurück auf PLAY schaltet, überrascht aufs neue.
immerhin … stilistisch sind JMD problemlos einzuordnen:
noise-core-free-jazz-dub-emo-minimal-hardcore-pop.

in der mitte des ersten tracks schiebe ich meinen hut in den nacken: die loopstation sorgt dafür, dass ich 3 gitarren-riffs auf einmal höre. bis zum ende werden es gefühlt um die 8 sein. jede note ist live. irgendwann. ein part wird geloopt, dann läuft er. sich selbst überlassen. wie berger ihn gespielt hat, bleibt er in der welt.

wellen. wellen, um deren intervalle sich jemand kümmert. zwischen tal und kamm bricht sich die nächste spur. wir haben das meer im saal: sturm, flaute, tiefschwarze see, die brünette schönheit direkt neben mir, wird vollends unerreichbar. sie lässt sich fallen, gibt nicht auf, sinkt bis hin zum grund. irgendwer findet strandgut. navigieren durch dichten nebel, der mond fährt mit der hand ins wasser. zillionen fluoreszierender noten: hörbar – natürlich –  aber ich bilde mir ein, sie auch zu sehen, dabei habe ich lange nichts eingeworfen. lebhafte diskusionen zwischen auge und ohr wie lange nicht-   

die ruhige hand am steuer ist bergers sache. er muss es aus sich herausholen, seine danelectro ist der traum eines jeden feiglings – sie macht nur, was man(n) ihr sagt.

danelectro: billige kaufhaus-gitarren für u.a. SEARS und MONTGOMERY WARD / hauptsitz in camarillo, CA / gegründet 1947 von nathan daniel / holzrahmen mit masonit verkleidet, siehe auch: bootsbau / korpus: innen hohl / nervig brummende single-coil pickups namens lipstick-tube –  die story dazu: die tonabnehmer wurden ursprünglich in lippenstifthülsen aus einer vorhandenen überproduktion verbaut, um die kosten gering zu halten. warum auch sonst? / für ex-DDR-bürgerInnen:  die danelectro ist der trabi unter den e-gitarren. / was kann mann nettes sagen? sie sehen supercool aus. und ihr sound klingt trockener als ein furz von dieter’s -ex, einen monat vor der scheidung-

mit allem was schiefläuft, während des einspielens des ersten oder zweiten loops, müssen wir leben. bis zum letzten ton des songs. pro nacht ist jeder einzelne von ihnen, für sich selbst die letzte chance. berger weiß das – seine flanke zuckt so spastisch wie die kräftig angeschlagene e-saite am double-bass von art hubbard.

annahme: kaum jemand wichst gern freiwillig in der öffentlichkeit.
frage: warum tun es dann so viele?

bei JMD kein problem. es geht darum, wie sie es haben wollen.
ordnung und form. hingabe, und immer noch die kraft dafür. jung sind sie nicht mehr – dafür sexy. niemand außerhalb von MEXIKO, trägt sein basecap lässiger als berger, oder hat einen verwegeneren lockenkopf wie schneider.

im grunde einfach: funktioniernde schwellkörper sind eine gute sache, aber vor allem, musst du die lady wirklich wollen. alles andere, entsteht dann zwischen euch.

JMD sind das gegenteil von anarchie: sie arbeiten sich an der norm ab – demokraten on stage.
demokratie zu leben ist nicht einfach, also ist betrieb in der hütte: zuckende leiber krümmen sich. vor anspannung, konzentration, ekstase.
anspannung – offensichtlich kostet es kraft, solch komplexen sound zu beherrschen.
konzentration – bei aller professionalität und besessenheit ist der fokus auf die umsetzung, auch geistig eine große kür.
ekstase – weil, wenn es gelingt, weht schönheit und freiheit durch den laden. für die band. für uns alle.
ganz weg – ganz da. the power of music.

die alles zerhackenden, niemals zur ruhe kommenden schlagwerk-salven von jörg a. schneider, unglaublich brachial, mehr herausgehauen als gespielt, klingen aufs erste ohr, schwer voodoo-like. sind sie nicht. sie sind das gegenteil. farblich betrachtet, stehen sie für das stakkato an informationen und veränderungen – für das hamsterrad, in dem die zellen 24/7 rotieren, wenn du nicht zufällig OSHO bist. bist du nicht, der mann ist lange tot.

bergers melodien erinnern daran, dass wir dennoch eine wahl haben.
betörende hooklines – die uns der welt entheben und einer anderen, besseren entgegen tragen, auf dass die rückkehrer die frohe botschaft verkünden: wir. sind. (noch) lebendig.

gottlob, nicht die nächste massenbewegung. hinter all dem chaos lauert ruhe. in einklang und auflehnung – eine debatte mit dir selbst. wenn du bestehst, tut sich was bei dir. für den wind, draußen in den straßen. leben. gesichter. augen, deren blick du erwidern kannst.
spät im morgengrauen fällt dir auf, du hast dein smartphone bei ihr liegen lassen …

JMD sind hardcore – high energy music. hör es unter headphones. geh hin, wenn sie spielen. fran, meine frau, fasst es wie immer ein wenig knapper zusammen: “der moderne medizinmann verordnet JMD!”

 

hesh